Erst vor einer Woche bekamen elf Berliner Gastronomen mit ihrer Klage gegen die Sperrstunde Recht. Nun wird sie für noch mehr Kneipen und Gaststätten gekippt.
Das Verwaltungsgericht hat für 20 weitere Restaurants und Bars in Berlin die Sperrstunde ab 23 Uhr aufgehoben. Ein Gerichtssprecher bestätigte auf Anfrage, dass die vom rot-rot-grünen Senat als Corona-Schutzmaßnahme verhängte Sperrstunde für sich nicht mehr gilt. Weiter Anträge gehen ein, weitere werden entschieden.
Niko Härting, Anwalt klagender Wirte, hatte am Morgen zunächst von 14 weiteren Lokalen gesprochen.
Bereits vor einer Woche war die Sperrstunde vom Verwaltungsgericht für elf klagende Wirte ausgesetzt worden. Sie wie auch die 20 weiteren Betreiber dürfen nun auch 23 Uhr ihre Lokale weiter öffnen, allerdings keinen Alkohol ausschenken.
Nach der Entscheidung von vergangenem Freitag legte Härting für weitere Betreiber Klage beim Verwaltungsgericht ein.
Die klagenden Betreiber kritisierten die Sperrstunde in der Zeit von 23 bis 6 Uhr als unverhältnismäßig. Aus ihrer Sicht gibt es keine überzeugende Begründung für die Schließung der Gaststätten um 23 Uhr. Mit einer Sperrstunde für die Gastronomie werde erreicht, dass sich junge Menschen dann an anderen Orten träfen, für die keine Hygienekonzepte gelten, lautete die Argumentation.
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Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci SPD ließ Beschwerde gegen die erste Entscheidung des Verwaltungsgerichts einlegen, legte dem Oberverwaltungsgericht OVG aber keine Begründung vor. Die liegt laut Anwalt Härting auch immer noch nicht vor.
Die vom Senat beantragte Zwischenverfügung, die Sperrstunde bis zur abschließenden Entscheidung wieder in Kraft zu setzen, lehnte das OVG ab.
Nach Angaben von Niko Härting haben sich weitere Wirte und Lokalbetreiber bei ihm gemeldet. Daher seien weitere Eil-Anträge vor dem Verwaltungsgericht zu erwarten. Er könne den Gastronomen in der aktuell wirtschaftlich angespannten Lage infolge der Corona-Pandemie auch nicht empfehlen, bis zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu warten.
Gericht: Bars und Restaurants sind nicht Treiber der Pandemie
Das Verwaltungsgericht hatte bei allen Wirten befunden, dass es nicht ersichtlich sei, dass die Sperrstunde für eine nennenswerte Bekämpfung des Infektionsgeschehens in der Corona-Pandemie erforderlich sei. Die Wirte hätten bereits vielfältige Schutz- und Hygienemaßnahmen ergriffen. Zudem seien nach den bisherigen Erkenntnissen Bars und Restaurants nicht die Treiber der Pandemie.
Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum es gerechtfertigt sein solle, gastronomische Betriebe nach 23 Uhr zu schließen. Auch die Gefahr der „Enthemmung“ unter Alkoholeinfluss nach 23 Uhr bestehe nicht.
Den Gastwirten könne nicht pauschal unterstellt werden, dass sie diese Vorgaben nicht einhielten. Es reiche nicht als Rechtfertigung, dass sich die Einhaltung der Vorgaben durch eine Sperrstunde leichter kontrollieren lassen.
Ein Betreiber berichtete, dass er bereits am Freitag nach den Gerichtsentscheidungen durch einen anonymen Anrufer gewarnt worden sei, dass sie und die anderen zehn Kläger nun unter besonderer Beobachtung stünden und mit Kontrollen zu rechnen hätten. Eine Weisung, genau diese elf Bars zu kontrollieren, hat es nach Darstellung der Innenverwaltung nicht gegeben.
In den sozialen Netzwerken wurden die elf Kläger angefeindet dafür, dass sie ihr Recht in Anspruch nehmen. Auch Gesundheitssenatorin Kalayci hat die Wirte kritisiert. Am Samstagabend schrieb sie auf Twitter: „An Betreiber von Gaststätten, die mit juristischem Vorgehen gegen Sperrstunde ab 23 Uhr meinen irgendetwas zu gewinnen: Wissen Sie nicht was auf dem Spiel steht? Lockdown mit schweren wirtschaftlichen Folgen! Um dies zu verhindern, tragen auch sie eine Mitverantwortung!“
Das Bündnis „Bars of Berlin“ antwortete, Wirte und Gerichte „wissen, was auf dem Spiel steht“. Sie übernähmen Verantwortung und befolgten das Krisenmanagement des Senats. „Aber es ist sehr befremdlich, wenn Sie Menschen in einem Rechtsstaat dazu auffordern, den ihnen zustehenden Rechtsweg nicht zu beschreiten.“
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