Corona-Höchstwert und schärfere Regeln für Hotspots in Deutschland: Wir müssen den Anstieg stoppen, sonst wird das in kein gutes Ende führen, sagt Merkel
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Corona-Höchstwert und schärfere Regeln für Hotspots in Deutschland: Wir müssen den Anstieg stoppen, sonst wird das in kein gutes Ende führen, sagt Merkel
Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten einigen sich auf eine ausgeweitete Maskenpflicht, Sperrstunden und beschränkte Gästezahlen. Beim umstrittenen Beherbergungsverbot gibt es keinen Kompromiss. Für die Kanzlerin greifen die Vereinbarungen zu kurz, um «Unheil» abzuwenden.
Müde, angespannt und vor allem unzufrieden – so wirkte Angela Merkel, als sie am späten Mittwochabend in Berlin vor die Presse trat. Zuvor hatten die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder im Berliner Kanzleramt mehr als acht Stunden über die Verschärfung des deutschen Pandemie-Regimes verhandelt. Das Ergebnis ging Merkel nicht weit genug. Das exponentielle Wachstum der Infektionszahlen – das Robert-Koch-Institut meldete in der Nacht auf Donnerstag 6638 neue Corona-Fälle, den bisherigen Höchstwert in Deutschland – müsse unbedingt unterbrochen werden, sagte Merkel. «Diesen Anstieg müssen wir stoppen, sonst wird das in kein gutes Ende führen.»
Erstmals seit dem Frühsommer hatten die Kanzlerin und die Länderchefs einander persönlich zum Gespräch getroffen. Die Szene erinnerte an ähnliche Krisensitzungen vom Frühjahr und die Schwierigkeiten des Bundes, einen Konsens zwischen den Länderchefs sowie bundeseinheitliche Regelungen herzustellen. Nach mehreren Stunden liess Merkel die Sitzung vom Mittwoch entnervt unterbrechen. «Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwenden», soll die CDU-Politikerin nach übereinstimmenden Angaben von Teilnehmern gesagt haben, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Und: «Es reicht einfach nicht, was wir hier machen.»
Wirrwarr um Beherbergungsverbot
Die Bundeskanzlerin hatte dabei vor allem das umstrittene Beherbergungsverbot im Blick, das Reisen innerhalb Deutschlands und somit die Verbreitung des Virus stark einschränken soll. Armin Laschet CDU aus Nordrhein-Westfalen oder Malu Dreyer SPD aus Rheinland-Pfalz sprachen sich vehement für eine Aufhebung der Regelung aus, Manuela Schwesig SPD aus Mecklenburg-Vorpommern ebenso vehement für eine Beibehaltung. Konsens gab es nicht, der föderale Flickenteppich bleibt vorerst bestehen. Am 8. November will die Runde erneut zu einer Sitzung zusammenkommen. Die Deutschen reisen indes weniger – nicht weil es überall verboten wäre, sondern weil kaum noch jemand das Regelungswirrwarr durchschaut.
Der Braunschweiger Professor und Leiter der Abteilung System-Immunologie am dortigen Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Michael Meyer-Hermann, forderte in der Sitzung als geladener Experte noch deutlich härtere Massnahmen. Er stellte mathematische Modelle über die Ausbreitung des Virus vor und riet zu einem kompletten Ausreiseverbot für Menschen aus Risikogebieten. Es sei nicht fünf vor zwölf, sondern zwölf, sagte der Biomathematiker, dessen Einschätzungen die Bundeskanzlerin zuneigt. Ein Kontrollverlust bei der Infektionsverbreitung drohe. Ein Ausreiseverbot stiess bei den Ministerpräsidenten allerdings auf grosse Skepsis.
Beschlüsse und bundeseinheitliche Regeln gab es am Mittwochabend trotzdem noch. Viele davon greifen neuerdings schon bei einem Schwellenwert von 35 Infektionen auf 100 000 Personen:
- Maskenpflicht: In Städten und Regionen mit stark steigenden Corona-Zahlen soll die Maskenpflicht ausgeweitet werden. Sie soll ab 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in sieben Tagen auch überall dort gelten, wo Menschen dichter beziehungsweise länger zusammenkommen.
- Private Feiern: In Regionen mit einem Wert über 35 Neuinfektionen soll es eine Begrenzung von 25 Teilnehmern im öffentlichen und 15 Teilnehmern im privaten Raum geben. Ab 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen sollen private Feiern auf maximal zehn Teilnehmer im öffentlichen Raum sowie auf höchstens zehn Teilnehmer aus höchstens zwei Hausständen im privaten Raum begrenzt werden.
- Kontaktbeschränkungen: Übersteigen die Neuinfektionen den Wert 50, dürfen sich künftig nur noch maximal zehn Personen im öffentlichen Raum treffen. Sollten die neuen Massnahmen den Anstieg nicht zum Stillstand bringen, wird dies auf bis zu fünf Personen oder die Angehörigen zweier Hausstände verringert.
- Sperrstunde: Ebenfalls bei 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen soll eine Sperrstunde um 23 Uhr für die Gastronomie verhängt werden. Bars und Klubs sollen geschlossen werden.
- Veranstaltungen: Wird der Wert von 50 überschritten, wird die Zahl der Teilnehmer bei Veranstaltungen auf 100 Personen begrenzt. Ausnahmen bedürfen eines mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgestimmten Hygienekonzeptes.
In dem am Mittwoch beschlossenen Papier von Bund und Ländern wird auch ein erneuter Lockdown nicht ausgeschlossen: «Kommt der Anstieg der Infektionszahlen unter den vorgenannten Massnahmen nicht spätestens binnen zehn Tagen zum Stillstand, sind weitere gezielte Beschränkungsschritte unvermeidlich, um öffentliche Kontakte weitergehend zu reduzieren.» Das ist die Grundlage, auf der am 8. November weiterverhandelt werden soll.
Um diesen Fall zu verhindern, appellierte Merkel nach der Sitzung an die Bevölkerung: «In dieser entscheidenden, kritischen Phase des Herbstes ist es ganz, ganz wichtig, dass alle auch weiter mitmachen.» Denn die Folgen eines erneuten Lockdowns wären unannehmbar: «Auch ökonomisch können wir uns eine zweite Welle, wie wir sie im Frühjahr hatten, nicht leisten.»
Der Kanzleramtsminister Helge Braun CDU sagte am Donnerstagmorgen in der ARD bereits, die Regelungen würden vermutlich nicht ausreichen, um die Pandemie einzudämmen. Die Bevölkerung müsse von sich aus mehr tun, um die Verbreitung des Virus zu verhindern.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagt: «Wir sind dem zweiten Lockdown eigentlich viel näher, als wir das wahrhaben wollen.»
Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder CSU sah zwar Fortschritte durch die Beschlüsse. «Aber ob das reicht, ist meiner Meinung nach offen. Wir sind dem zweiten Lockdown eigentlich viel näher, als wir das wahrhaben wollen.» Die zweite Corona-Welle sei bereits da. Die Situation jetzt sei fast gefährlicher als jene im Frühjahr, weil nun der Winter bevorstehe, warnte Söder, der zugleich dazu aufrief, durch die Beschränkungen wieder «vor die Welle» zu kommen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gab am Mittwoch in Berlin bekannt, dass die neue Corona-Testverordnung an diesem Donnerstag in Kraft treten werde. Corona-Tests sollen damit künftig stärker auf Risikogruppen und das Gesundheitswesen konzentriert werden – und weniger auf Reiserückkehrer. Er forderte die Bevölkerung überdies auf, auf nicht notwendige Reisen zu verzichten. Wichtiger als das private Vergnügen sei es, die Schulen offen und die Wirtschaft am Laufen zu halten, sagte der CDU-Politiker am Donnerstagmorgen im Deutschlandfunk.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte die Beschlüsse scharf. Sie sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, konsequent gemeinsames und konsequent vorausschauendes Handeln sei ausgeblieben: «Gerade mit dem Fortbestand der Beherbergungsverbote bleibt in einem zentralen Bereich ein Flickenteppich. Dass ausgerechnet diese Entscheidung bis nach den Ferien verschoben wurde, muss vielen Betroffenen wie ein schlechter Witz vorkommen.»
Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans verteidigten die Corona-Beschlüsse gegen die Kritik: Die gemeinsam beschlossenen Maßnahmen zeigten in die richtige Richtung. Angesichts der steigenden Zahlen sei gar keine andere Wahl geblieben.
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